I. Hintergrund
Das deutsche Arbeitsrecht unterscheidet zwischen Befristungen mit (§ 14 Abs. 1 TzBfG) und ohne (§ 14 Abs. 2 TzBfG) Sachgrund. Während letztere nach geltendem Recht nur bis zu einer Dauer von zwei Jahren und für Neueinstellungen zulässig sind, besteht zwar nur eine beschränkte Anzahl an Befristungsgründen – dafür gibt es aber keine zeitliche Höchstgrenze für die Aneinanderreihung von befristeten Verträgen. Theoretisch kann insofern ein Arbeitsverhältnis bei Vorliegen entsprechender Gründe unbegrenzt oft befristet werden. Da aus Sicht des Bundesarbeitsministeriums in beiden Fällen Arbeitnehmer nur ein sehr geringes Maß an Jobsicherheit und -planbarkeit erreichen und ein sehr hoher Prozentsatz der Neueinstellungen (37 %) befristet erfolgt (davon mehr als die Hälfte ohne Sachgrund), wird in Teilen der Politik eine weitere Einschränkung für notwendig gehalten.
Es ist geplant, sowohl die Möglichkeiten der sachgrundlosen Befristung als auch der Befristung mit Sachgrund einzuschränken. Ob es allerdings dazu kommen wird ist fraglich. Dennoch handelt es sich bei dem Referentenentwurf um einen ernstzunehmenden ersten Schritt zur Reform des Befristungsrechts. Der weitere Verlauf sollte insoweit dringend beobachtet werden.
II. Der Entwurf
1. Verschärfung der Regelungen zu sachgrundlosen Befristung
In Zukunft soll nach dem Entwurf die sachgrundlose Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes für die Dauer von nur noch 18 Monaten statt bislang zwei Jahren zulässig sein. Bis zu dieser Gesamtdauer ist eine einmalige statt einer dreimaligen Verlängerung möglich. Die Möglichkeiten, durch Tarifvertrag davon abzuweichen bleiben bestehen, werden ebenfalls eingeschränkt. Das Verbot einer solchen sachgrundlosen Beschäftigung, wenn eine Vorbeschäftigung bestanden hat, bleibt bestehen. Hinzu kommt eine neuartige Quotenregelung: Bei größeren Arbeitgeber mit in der Regel mehr als 75 Mitarbeitern dürfen nach dem Entwurf maximal 2,5 Prozent der Arbeitnehmer mit sachgrundlos befristeten Verträgen beschäftigt sein. Dies dürfte zu einer höheren Komplexität und zunehmenden Unsicherheiten führen.
2. Zeitliche Grenze für (Ketten)befristungen mit Sachgrund
Daneben soll für Befristungen mit Sachgrund eine zeitliche Höchstgrenze von fünf Jahren gelten, es sei denn die Befristung kommt durch gerichtlichen Vergleich zustande oder der sachliche Grund liegt in der Eigenart der Arbeitsleistung. Auch hier ist die Berechnung komplizierter: Wenn der zeitliche Abstand zwischen befristeten Verträgen bei demselben Arbeitgeber weniger als drei Jahre beträgt, sollen die Beschäftigungszeiten zusammengerechnet werden. In die Berechnung sind ferner auch die Zeiten einzubeziehen in denen der Arbeitnehmer nur als Leiharbeiter für den Arbeitgeber tätig war – diese Zeiten sind selbst wenn eine unbefristete Beschäftigung zum Verleiher vorlag zu berücksichtigen. Die wenig instruktive Rechtsprechung zur Kettenbefristung wäre damit zwar obsolet, neue Probleme bzgl. der Berechnung würden aber an ihre Stelle treten.
Zusätzlich entfällt einer der bisherigen acht sachlichen Gründe, wonach Arbeitnehmer, die mit Haushaltsmitteln vergütet werden, befristet beschäftigt werden können.
3. Formelle Änderungen – Zitiergebot
Vorgeschlagen wird zudem, dass in Arbeitsverträgen anzugeben ist, ob es sich um eine sachgrundlose Befristung handelt. In diesem Fall soll sich dann nicht mehr auf einen Sachgrund gestützt werden können. Die konkrete Nennung des Sachgrundes sieht der Entwurf hingegen weiterhin nicht vor. Wird als die Befristung als sachgrundlos bezeichnet, so kann sie nur nach diesen Vorgaben (insbes. Unter Beachtung der Quote) zulässig sein. Erfolgt keine Nennung, muss es sich demnach um eine Sachgrundbefristung handeln – nur hierauf könnte sich sodann die Rechtfertigung stützen.
III. Ausblick
Der Entwurf verdeutlicht die Intention des Ministeriums, dem Phänomen des massenhaften Einsatzes von Befristungen offensiver zu begegnen. Ob und inwiefern die Regelungen des Entwurfs in einem parlamentarischen Gesetzgebungsprozess Bestand haben werden bleibt - auch vor dem Hintergrund der Bundestagswahlen dieses Jahr – abzuwarten. Ebenso bleibt abzuwarten, inwiefern noch Anpassungen des Entwurfs erfolgen – In der jetzigen Fassung bleiben bspw. die Unsicherheiten, wie lang eine Vorbeschäftigung für ein Verbot der sachgrundlosen Befristung relevant ist, bestehen.
Die geplante Neuregelung würde wie folgt lauten (Die Änderungen sind farbig bzw. durch Streichungen hervorgehoben):
§ 14 TzBfG Zulässigkeit der Befristung
(1) Die Befristung eines Arbeitsvertrages ist zulässig, wenn sie durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist. Ein sachlicher Grund liegt insbesondere vor, wenn
1. der betriebliche Bedarf an der Arbeitsleistung nur vorübergehend besteht,
2. die Befristung im Anschluss an eine Ausbildung oder ein Studium erfolgt, um den Übergang des Arbeitnehmers in eine Anschlussbeschäftigung zu erleichtern,
3. der Arbeitnehmer zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers beschäftigt wird,
4. die Eigenart der Arbeitsleistung die Befristung rechtfertigt,
5. die Befristung zur Erprobung erfolgt,
6. in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe die Befristung rechtfertigen,
7. der Arbeitnehmer aus Haushaltsmitteln vergütet wird, die haushaltsrechtlich für eine befristete Beschäftigung bestimmt sind, und er entsprechend beschäftigt wird oder7. die Befristung auf einem gerichtlichen Vergleich beruht.
(1a) Die Befristung eines Arbeitsvertrages mit Vorliegen eines sachlichen Grundes nach Absatz 1 Satz 1 und Satz 2 Nummern 1 bis 3 sowie 5 und 6 ist nicht zulässig, wenn damit die Gesamtdauer der befristeten Arbeitsverhältnisse nach den Absätzen 1, 2, 2a oder 4 bei demselben Arbeitgeber eine Höchstdauer von fünf Jahren überschreitet. Zeiten solcher Arbeitsverhältnisse sind auf die Höchstdauer anzurechnen, wenn zwischen den Arbeitsverhältnissen jeweils nicht mehr als drei Jahre liegen. Auf die Höchstdauer sind auch Zeiten anzurechnen, in denen der Arbeitnehmer demselben Arbeitgeber als Leiharbeitnehmer überlassen war. Satz 2 gilt für die Anrechnung von Überlassungszeiten entsprechend. Satz 1 steht der Befristung eines Arbeitsvertrages nach Absatz 1 nicht entgegen, wenn die Befristung 1. eine Vereinbarung zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Erreichen der Regelaltersgrenze nach den §§ 35 Satz 2, 235 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch zum Gegenstand hat oder 2. eine Vereinbarung zum Gegenstand hat, nach der das Arbeitsverhältnis endet, wenn ein Beamtenverhältnis nach Beurlaubung bei demselben Arbeitgeber als Dienstherrn aufgrund einer gesetzlichen Regelung wiederauflebt.
(2) Die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes ist bis zur Dauer von zwei Jahren 18 Monaten zulässig; bis zu dieser Gesamtdauer von zwei Jahren ist auch die höchstens dreimalige einmalige Verlängerung eines kalendermäßig befristeten Arbeitsvertrages zulässig. Eine Befristung nach Satz 1 ist nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. Durch Tarifvertrag kann die Anzahl der Verlängerungen oder die Höchstdauer der Befristung abweichend von Satz 1 festgelegt werden. Im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrages können nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung der tariflichen Regelungen vereinbaren.
(2a) In den ersten vier Jahren nach der Gründung eines Unternehmens ist die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes bis zur Dauer von vier Jahren zulässig; bis zu dieser Gesamtdauer von vier Jahren ist auch die mehrfache Verlängerung eines kalendermäßig befristeten Arbeitsvertrages zulässig. Dies gilt nicht für Neugründungen im Zusammenhang mit der rechtlichen Umstrukturierung von Unternehmen und Konzernen. Maßgebend für den Zeitpunkt der Gründung des Unternehmens ist die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit, die nach § 138 der Abgabenordnung der Gemeinde oder dem Finanzamt mitzuteilen ist. Auf die Befristung eines Arbeitsvertrages nach Satz 1 findet Absatz 2 Satz 2 bis 4 entsprechende Anwendung.
(3) Die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes nach Absatz 2 oder Absatz 2a ist darüber hinaus nicht zulässig, wenn die Gesamtdauer der Befristung zusammen mit Zeiten, in denen der Arbeitnehmer demselben Arbeitgeber als Leiharbeitnehmer überlassen war, eine Höchstdauer von fünf Jahren überschreitet. Absatz 1a Satz 2 gilt für die Anrechnung von Überlassungszeiten entsprechend.
(34) Die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes ist bis zu einer Dauer von fünf Jahren zulässig, wenn der Arbeitnehmer bei Beginn des befristeten Arbeitsverhältnisses das 52. Lebensjahr vollendet hat und unmittelbar vor Beginn des befristeten Arbeitsverhältnisses mindestens vier Monate beschäftigungslos im Sinne des § 138 Absatz 1 Nummer 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch gewesen ist, Transferkurzarbeitergeld bezogen oder an einer öffentlich geförderten Beschäftigungsmaßnahme nach dem Zweiten oder Dritten Buch Sozialgesetzbuch teilgenommen hat. Bis zu der Gesamtdauer von fünf Jahren ist auch die mehrfache Verlängerung des Arbeitsvertrages zulässig. Eine Befristung nach Satz 1 ist nicht zulässig, wenn damit die Gesamtdauer der befristeten Arbeitsverhältnisse nach den Absätzen 1, 2, 2a oder Satz 1 bei demselben Arbeitgeber eine Höchstdauer von fünf Jahren überschreitet. Absatz 1a Sätze 2, 3 und 4 gelten entsprechend.
(5) Beschäftigt der Arbeitgeber, unabhängig von der Anzahl der Personen in Berufsbildung, in der Regel mehr als 75 Arbeitnehmer, so setzt die Zulässigkeit einer Befristung nach Absatz 2, Absatz 2a oder Absatz 4 oder deren Verlängerung zusätzlich voraus, dass zum Zeitpunkt der vereinbarten Arbeitsaufnahme nicht mehr als 2,5 Prozent der Arbeitnehmer aufgrund eines nach dem … [einsetzen: Datum des Tages vor dem Tag des Inkrafttretens dieser Regelung nach Artikel 4 Absatz 1] geschlossenen oder verlängerten kalendermäßig befristeten Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes nach Absatz 2, Absatz 2a oder Absatz 4 beschäftigt sind. Für die Berechnung dieses Anteils von 2,5 Prozent ist auf die Anzahl der Arbeitnehmer am ersten Kalendertag des vorangegangenen Quartals abzustellen.
(46) Die Befristung eines Arbeitsvertrages bedarf zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform. In der schriftlichen Vereinbarung der Befristung ist anzugeben, ob die Befristung auf Absatz 2, Absatz 2a oder Absatz 4 beruht. Fehlt diese Angabe, kann die Befristung nicht auf eine dieser Rechtsgrundlagen gestützt werden. Ist in der schriftlichen Vereinbarung der Befristung Absatz 2, Absatz 2a oder Absatz 4 als Befristungsgrundlage genannt, kann die Befristung nicht auf Absatz 1 gestützt werden.
Wir hoffen, Ihnen mit diesen Ausführungen einen guten Überblick über die aktuellen Entwicklungen zu geben. Bei Rückfragen zu dem genannten Thema und zu konkreten Auswirkungen und Fragen der Gestaltung können Sie sich jederzeit telefonisch oder per E-Mail an unsere Kollegen in unseren Büros in Berlin, Düsseldorf, München und Köln wenden.