I. Die Pandemie als Herausforderung und Chance
Seit über einem Jahr sind die Covid-19-Pandemie und die damit im Zusammenhang stehenden rechtlichen Fragen auch im Arbeitsrecht im Fokus der Diskussion. Problematisch war und ist dabei, dass sehr vieles nur bedingt geplant werden kann. Zum einen, weil keiner mit einer solchen Situation rechnen konnte, zum anderen aber vor allem auch, weil sich die rechtlichen Rahmenbedingungen oftmals und sehr schnell geändert haben. Nun werden dank niedriger Inzidenzen und dem Fortschritt der Impfkampagne vermehrt Lockerungen der arbeitsrechtlichen Sondervorschriften diskutiert. Insbesondere ist die bestehende Regelung zur (faktischen) Homeoffice-Pflicht in § 28b Abs. 7 IfSG nach dem 30. Juni 2021 außer Kraft getreten. Ein wichtiger Schritt zur Rückkehr zur Normalität ist damit getan.
Obwohl das endgültige Ende der Pandemie noch nicht genau absehbar ist, liegt es nun an den Arbeitgebern, sich zu überlegen, wie diese neue Normalität aussehen soll und die sich in diesem Zusammenhang stellenden Aufgaben vorzubereiten. Insbesondere wird zu entscheiden sein, inwiefern im Unternehmen mobile Arbeitsformen beibehalten werden sollen – also ob langfristig wieder komplett in Präsenz, hybrid im Büro und von zuhause aus oder sogar nur mobil gearbeitet werden soll.
Von zentraler Bedeutung sind dabei sowohl Planungen, wie eine Rückkehr ins Büro organisatorisch bewerkstelligt werden kann, als auch die Etablierung allgemeiner Standards für das Arbeiten außerhalb des Büros: Die Pandemie hat die mobile Revolution maßgeblich beschleunigt. Was hiervon in der Zukunft bleibt und wie man dies sinnvoll steuert, muss jetzt entschieden werden. Diese Gelegenheit sollte genutzt werden, die Grundlagen für eine flexible Handhabung des Wechsels zwischen der Arbeit von zuhause aus und im Büro zu schaffen. Die neue Normalität wird sich zudem auch nicht sofort, sondern nur schrittweise entwickeln können. Insofern ist es wichtig zu überlegen, welche Schritte sinnvoll sind und wie zumindest zu Beginn auch zwischen Beschäftigten differenziert werden kann. All diese Themenkomplexe bedürfen schon deshalb einer genauen Planung, weil in vielen Fällen auch Absprachen mit dem Betriebsrat zur vollständigen Umsetzung erforderlich werden.
Umso komplexer wird dies dadurch, dass die Anordnung aufgrund der pandemiebedingten Eilbedürftigkeit häufig weitaus weniger koordiniert und geplant erfolgt ist, als dies im Normalbetrieb der Fall gewesen wäre. Insbesondere wurde teilweise Homeoffice durchgeführt, ohne dass es eine explizite Regelung hierfür gegeben hat.
Nachfolgend geben wir einen Überblick darüber, welche rechtlichen Aspekte bei der Planung der Rückkehr ins Büro beachtet werden müssen und wie die neue Normalität aussehen und ausgestaltet werden könnte.
II. Die schrittweise Rückkehr ins Büro
Es ist zu erwarten, dass die Rückkehr ins Büro in Stufen erfolgt. Unternehmen, deren Beschäftigte aktuell überwiegend im Homeoffice tätig sind, werden mit Sicherheit nicht kurzfristig die gesamte Belegschaft zurückbeordern. Aus Unternehmersicht ist insoweit eine Staffelung und schrittweise Rückkehr zu erwägen und insoweit zu prüfen, wer wann wieder ins Büro zurückkommen soll.
Den Rahmen hierfür bilden die gesetzlichen Vorschriften – aktuell mit einem Schwerpunkt auf infektionsschutzrechtlichen Vorschriften. Diese gesetzlichen Ge- und Verbote bilden dabei die äußerste Grenze: Der Arbeitgeber darf nichts anordnen, was gesetzlich verboten ist; ebenso ist er in der Einhaltung von gesetzlich Gebotenem nicht frei.
Darüber hinaus sind für die Frage, ob Arbeitnehmer weiterhin von zuhause arbeiten dürfen (oder müssen) oder ob ein Rückruf ins Büro erfolgen kann, arbeits- und tarifvertragliche Vereinbarungen sowie Betriebsvereinbarungen von Bedeutung.
a) "Corona-Gesetzgebung"
Die Ende Juni 2021 auslaufende Homeoffice-Pflicht stand im Zusammenhang mit weiteren Maßnahmen zur Kontaktreduktion im Betrieb, wie etwa der Vermeidung des Zusammentreffens größerer Gruppen, die sich aus der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung ergeben.
Darüber hinaus sieht die Verordnung die Pflicht zum Erstellen eines betrieblichen Hygienekonzepts sowie der Bereitstellung von Schutzmasken und Corona-Tests vor. Im Unterschied zur Homeoffice-Pflicht endet die Verordnung nicht zum 30. Juni 2021, sondern wurde noch weiter verlängert. Auch wenn ab Juli der Anspruch auf Homeoffice entfällt, gelten weiterhin pandemiebedingte Sonderregeln.
Ferner gelten bereits seit dem Beginn der Pandemie die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandards. Diese sehen zwar in Verbindung mit der konkretisierenden SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel keine verbindlichen Pflichten vor, enthalten aber eine Vielzahl von Verhaltensregeln für die Arbeit im Büro. Ein breites Spektrum von Anwendungsfragen wird abgedeckt, von der genauen Umsetzung der AHA+L-Regel (Abstand, Hygiene, Alltagsmasken und Lüften) über den Umgang mit Corona-Verdachtsfällen im Betrieb bis zur arbeitsmedizinischen Vorsorge und Schutzhinweisen für einzelne Branchen. Einen verbindlichen Anspruch auf mobiles Arbeiten enthalten sie nicht.
All diese Vorschriften sind vom Grundsatz der (unmittelbaren) Kontaktvermeidung getragen; Homeoffice ist weiterhin ein probates Mittel hierfür; es stehen aber ebenso andere Mittel (betriebliche Abstands- und Maskenregeln; Wechselschichten etc.) zur Verfügung.
b) Kein genereller Anspruch auf (teilweise) Arbeit von zuhause aus
Sofern also nicht besondere Regelungen greifen, wird es gemäß § 28b Abs. 10 IfSG ab dem 01. Juli 2021 zunächst keinen dauerhaften gesetzlichen Anspruch für alle Arbeitnehmer auf Homeoffice mehr geben. Die Einführung eines solchen Anspruchs wird zwar regelmäßig diskutiert, wurde aber bisher nicht umgesetzt und es bleibt abzuwarten, ob sich dies in den nächsten Jahren ändert. Solang dies nicht der Fall ist, sind Arbeitgeber folglich berechtigt (sofern entsprechende Arbeitsschutzstandards eingehalten werden) Arbeitnehmer wieder zur Tätigkeit im Büro zu verpflichten.
Abweichendes würde nur dann gelten, wenn auf anderer (vertraglicher) Ebene ein verbindlicher Anspruch begründet wurde. Allem voran steht die Einführung und Regelung durch individuelle und/oder kollektive Vereinbarung. Am relevantesten ist hier die individuelle Ergänzungsvereinbarung "Mobiles Arbeiten/Homeoffice" zum Arbeitsvertrag, wenn dieser noch keine entsprechende Regelung vorsieht. Dadurch lassen sich auch die zeitliche Dauer oder Möglichkeiten zu Beendigung durch beide Seiten regeln. Die individualvertragliche Abrede kann (und ggf. muss) durch kollektive Vereinbarungen (z.B. Tarifvertrag oder Vereinbarung mit Betriebsräten) ergänzt, ersetzt oder komplettiert werden. Die Tarifvertragsparteien können den Rahmen für tarifweite flexible Arbeitsmethoden abstecken und einen individuellen Anspruch des Arbeitnehmers einführen. Wo keine tarifvertragliche Regelung besteht, oder diese durch eine Öffnungsklausel betriebliche Regelungen ermöglicht, kann durch Betriebsvereinbarung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ein Recht auf mobiles Arbeiten geschaffen werden. Auch über den einzelnen Arbeitsvertrag kann ein Anspruch begründet werden.
Sofern noch keine solche Regelung besteht, aber Homeoffice auch über den 30. Juni 2021 hinaus ermöglicht werden soll, ist es zwingend anzuraten, eine solche zeitnah zu vereinbaren. Ansonsten läuft der Arbeitgeber Gefahr, allein durch die nicht widersprochene Fortführung des Homeoffice einen verbindlichen Rechtsanspruch hierauf zu schaffen. In der nicht widersprochenen Gewährung läge dann ein Angebot, welches der Arbeitnehmer durch die Arbeit von zuhause aus annimmt.
Die Situation unterscheidet sich insofern auch zentral von der bis zum 30. Juni 2021: Hat der Unternehmer Homeoffice allein aufgrund der gesetzlichen Regelung der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung angeboten, ist eine Auslegung, wonach dieses Angebot über die Geltungsdauer der Verordnung hinausreichen soll, mangels entsprechender Anhaltspunkte nach der herrschenden Meinung nicht möglich.
Im Kontext der pandemiebedingten Notsituation wurde ferner auch die einseitige Anordnung von Homeoffice kraft des Weisungsrechts des Arbeitgebers nach § 106 GewO diskutiert. Die überwiegende Mehrheit lehnte dies aber zurecht ab. Das Weisungsrecht des Arbeitgebers kann sich schon nicht auf die Wohnung, die durch die Verfassung (Art. 13 GG) besonders geschützt ist, beziehen. Eine dauerhafte Rechtsgrundlage für Homeoffice kann hierin folglich nicht liegen.
Selbst wenn man aber ein pandemiebedingtes einseitiges Anordnungsrecht bejaht, so muss dieses dann enden, wenn die pandemiebedingten Besonderheiten entfallen. Auch wenn weiterhin die Besonderheiten der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel gelten, sollte die Gelegenheit ergriffen werden, hier zeitnah eine verbindliche Regelung für Homeoffice zu vereinbaren oder aber anderenfalls die Rückkehr ins Büro anzuordnen.
2. Voraussetzungen und Regelung der (teilweisen) Rückkehr ins Büro
Für die Beendigung von mobilem Arbeiten gilt grundsätzlich spiegelbildlich Identisches wie für dessen Anordnung – eine etwaige (verbindliche) Vereinbarung kann nur durch eine Vereinbarung rückgängig gemacht werden. Fehlt es hingegen an einer solchen einen Anspruch begründenden Vereinbarung, so ist wie dargelegt der Arbeitgeber gehalten, eine solche umgehend zu schaffen oder aber die Rückkehr ins Büro in den nachfolgend dargestellten Grenzen zu verlangen.
Der Unternehmer kann, soweit nicht aufgrund individueller oder kollektiver Vereinbarung ein Anspruch auf mobiles Arbeiten bzw. Homeoffice besteht, nach Ende der coronabedingten Sonderbestimmungen grundsätzlich frei darüber entscheiden, ob die Arbeit zukünftig von zuhause oder aber aus dem Büro erbracht werden soll. Ihm steht insofern ein Weisungsrecht zu und er kann die Rückkehr ins Büro grundsätzlich einseitig anordnen.
Im Wesentlichen bestehen nach dem Wegfall der gesetzlichen Homeoffice-Pflicht drei Handlungs- bzw. Planungsszenarien.
a) Anordnung der Rückkehr ins Büro
Im Falle einer (im Arbeitsvertrag oder sonstigen Regelungen vorgesehenen) einseitigen Widerrufsmöglichkeit durch den Arbeitgeber sind zunächst die vereinbarten Widerrufsgründe zu beachten. Eine gut gestaltete Vereinbarung ermöglicht es dem Arbeitgeber, sich die Option offen zu halten, die gesamte Belegschaft oder nur einzelne Gruppen von Arbeitnehmern ins Büro zurückkehren zu lassen. Hier muss im Einzelfall genau geprüft werden, welche individuellen Regelungen bestehen. Gleichwohl darf der Unternehmer niemals in einem solchen Fall willkürlich entscheiden – seiner Entscheidung sind stets die Grundsätze billigen Ermessens zugrundezulegen.
Besteht keinerlei Vereinbarung zum Homeoffice, gilt ausschließlich § 106 GewO in Verbindung mit den Regelungen des Arbeitsvertrages. Der Arbeitgeber legt in Ausübung seines Direktionsrechts den (im Arbeitsvertrag vorgesehenen) Arbeitsort unter angemessener Berücksichtigung der Arbeitnehmerinteressen einseitig fest.
Nur im Einzelfall können bei einer solchen Anordnung nach mehrmonatiger Gewährung von Homeoffice Interessen entgegenstehen, die dazu führen, dass eine (sofortige) Rückkehranweisung unwirksam ist. Welche Interessen konkret berücksichtigt werden müssen, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.
Die Interessen des Arbeitnehmers sollten allerdings in jedem Fall dadurch berücksichtigt werden, dass die Rückkehranordnung mit einem zeitlichen Vorlauf (z.B. zwei Wochen) erfolgt, damit für den Arbeitnehmer eine Einstellung auf die neue – den vertraglichen Pflichten entsprechende – Arbeitssituation möglich ist, wenn über einen sehr langen Zeitraum ausschließlich mobil gearbeitet wurde.
Eine Weigerung des Arbeitnehmers, ins Büro zurückzukehren, wäre bei berechtigter Rückkehranordnung unzulässig und könnte in letzter Konsequenz sogar mit einer außerordentlichen Kündigung geahndet werden.
Sofern der Arbeitnehmer einen verbindlichen Anspruch auf Homeoffice hat, hierfür aber kein Widerrufsrecht in der Vereinbarung zum mobilen Arbeiten niedergelegt ist und eine einvernehmliche Lösung durch einen Änderungsvertrag/Aufhebung der Ergänzungsvereinbarung scheitert, verbleibt dem Arbeitnehmer als letztes Mittel der Rückkehranordnung die Möglichkeit der Änderungskündigung, um einen vertraglichen Anspruch auf Homeoffice zu unterbinden. Die Relevanz dieser Kategorie scheint gleichwohl äußerst gering, da es hierfür eines Kündigungsgrundes bedürfte, der kaum denkbar scheint, wenn mobiles Arbeiten / Homeoffice in einem langen Zeitraum störungsfrei möglich war.
b) Beibehaltung mobiler Arbeit?
Neben der organisatorischen Herausforderung birgt eine permanente Beibehaltung flächendeckender mobiler Arbeit bei gleichzeitigem Abflauen der Pandemie ohne (zumindest) teilweise Rückkehr ins Büro jedenfalls dann Risiken, wenn sie ohne eine entsprechende Rechtsgrundlage deutlich über das Ende Juni 2021 auslaufende Recht auf Homeoffice hinaus beibehalten wird.
Dies würde ein schutzwürdiges Vertrauen in den Fortbestand der (ungeschriebenen) Vereinbarung und daraus resultierend nach den Grundsätzen der betrieblichen Übung einen verbindlichen Anspruch auf Homeoffice begründen, der nicht mehr einseitig durch Weisungen beseitigt werden kann.
Relevant ist dies in Fällen, in denen mobiles Arbeiten nicht schriftlich vereinbart wurde, aber der Arbeitgeber klar erkennbar ausschließlich im Zuge der Coronapandemie eine Tätigkeit im Homeoffice ermöglichen wollte.
Außerhalb einer Vereinbarung spricht wenig dafür, dass Arbeitnehmer ohne eine explizite gesetzliche Grundlage einen solchen Anspruch haben, wenn erkennbar ein Bezug zu pandemiebedingten Besonderheiten vorlag. Es ist nicht sachgerecht zu unterstellen, dass sich Arbeitgeber, die im Zuge der Pandemie Homeoffice eingeführt haben, dauerhaft daran binden wollten. Dies gilt auch dann, wenn die Vereinbarung nicht befristet war. Wurde Homeoffice erst im Zuge der Umsetzung der Sars-Cov2-Arbeitsschutzverordnung ab dem 27. Januar 2021 angeboten, dürfte eine betriebliche Übung ohnehin ausscheiden, weil der Arbeitgeber zur Umsetzung einer rechtlichen Verpflichtung und also nicht freiwillig handelt.
Sofern der Arbeitgeber bei Abflauen der Pandemie und den Änderungen der rechtlichen Rahmenbedingungen das Homeoffice ohne Regelung in einer Vereinbarung oder im Widerspruch zu bestehenden Regelungen fortsetzt, ist jedoch wahrscheinlich, dass ein schutzwürdiges Vertrauen der Arbeitnehmer in die dauerhafte Beibehaltung entsteht. In diesen Ausnahmefällen würde zukünftig ein Anspruch des Arbeitnehmers aus betrieblicher Übung entstehen.
Insofern ist aus Gründen der Rechtssicherheit zu raten, eine verbindliche einvernehmliche Regelung zu finden und anderenfalls darauf zu bestehen, dass die Tätigkeit am vereinbarten Ort erbracht wird.
c) Gelegenheit zur Festlegung eines verbindlichen Gesamtkonzepts für hybrides Arbeiten und schrittweise Rückkehr
Bei dem oben Gesagten wird deutlich, dass die Ausgestaltung der (teilweisen) Rückkehr ins Büro oder auch eine teilweise Fortführung der mobilen Arbeit umso besser gelingt, je klarer und eindeutiger die vereinbarten Regelungen sind, auf denen diese Anordnungen beruhen, denn dies spezifiziert letztendlich den Spielraum, den der Unternehmer bei seinen Entscheidungen zu beachten hat.
Aus diesem Grund ist es – ganz unabhängig von der Pandemiesituation – dringend im Sinne aller Beteiligten zu empfehlen, entsprechende Vereinbarungen zur mobilen Arbeit abzuschließen, um eindeutige und für alle verständliche Regelungen zu haben. Dazu besteht mit dem Auslaufen der Homeoffice-Pflicht erneut und umso mehr Anlass, wobei eine Vielzahl von Gestaltungsmöglichkeiten in Betracht kommt.
So können eine bestimmte Anzahl von Präsenztagen pro Woche festlegt und Möglichkeiten vorgesehen werden, auf die individuellen Bedürfnisse der Arbeitnehmer zu reagieren. Durch die Einführung eines Hybridmodells, das einen für alle verbindlichen Kompromiss zwischen den genannten Extremen der vollständigen Rückkehr zum Bürobetrieb und einem permanenten Recht auf mobiles Arbeiten schafft, wird deutlich, dass sich das Unternehmen der Modernisierung der Arbeitswelt nicht versperrt. Zugleich kann auf Interessengegensätze angemessen Rücksicht genommen und Konflikten vorgebeugt werden.
Dabei sind die allgemeinen Regeln des Diskriminierungs- und Gleichbehandlungsrechts zu beachten. Selbstverständlich ist, dass der Arbeitgeber bei der Wiederherstellung der normalen Betriebsabläufe keine Personen aufgrund eines in § 1 AGG genannten Merkmals (z.B. Alter; Behinderung; Geschlecht) ausschließen oder in sonstiger Weise benachteiligen darf. Dies wäre bereits zu berücksichtigen, wenn z.B. nur geimpfte Arbeitnehmer ins Büro zurückbeordert würden. Eine diskriminierungsrelevante Benachteiligung käme in Betracht, wenn überwiegend jüngere Arbeitnehmer (mangels genügend Impfstoff) noch nicht geimpft sind, aber auch wenn bestimmte Gruppen wie Behinderte oder Schwangere aus medizinischen Gründen nicht geimpft werden können. Eine solche mittelbar an Merkmale wie Alter, Behinderung oder Geschlecht anknüpfende Differenzierung bezüglich der Rückkehrpflicht ins Büro wäre nur zulässig, wenn sie durch ein rechtmäßiges Ziel gerechtfertigt ist und keine milderen Mittel zur Erreichung dieses Ziels denkbar sind.
Dies könnte etwa der Fall sein, wenn aus medizinischen Gründen sowie aus Gründen des Arbeitsschutzes unterschiedliche Gefährdungslagen bestehen. Daher ist eine Differenzierung hinsichtlich der Bürotätigkeit für geimpfte und nicht-geimpfte Arbeitnehmer grundsätzlich möglich – ob die Voraussetzungen im Einzelfall vorliegen, sollte aber jeweils sorgsam geprüft werden.
III. Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates
Die Wiederherstellung des Büroalltags stellt regelmäßig eine bedeutende organisatorische Umgestaltung der betrieblichen Abläufe dar. Insofern ist die ordnungsgemäße Betriebsratsbeteiligung nicht nur bei der Einführung mobiler Arbeitsmethoden, sondern auch bei der Rückkehr zu Normalität von zentraler Bedeutung, sofern ein Betriebsrat vorhanden ist.
Die Mitbestimmungsrechte sind insofern ein Spiegelbild des Umfangs der Mitbestimmung bei der Einführung mobiler Arbeitsmethoden. Welche Tatbestände jeweils einschlägig sind, bestimmt sich im Einzelfall. Wechselt ein kompletter Betrieb von mobilem Arbeiten zur Büropräsenz, kann es sich unter Umständen sogar um eine Betriebsänderung handeln, die die Verhandlung eines Interessenausgleichs und möglicherweise den Abschluss eines Sozialplans (§§ 111, 112 BetrVG) erfordert.
Seit Neuestem greift nach dem Betriebsrätemodernisierungssgesetz ein eigener Mitbestimmungstatbestand für die Regulierung mobiler Arbeit. Dies wirft die Frage auf, inwiefern die "Ausgestaltung mobiler Arbeit" im Sinne des § 87 Nr. 14 BetrVG auch die Einstellung und Beschränkung solcher Arbeitsmethoden betrifft. Dem Wortlaut ("Ausgestaltung") nach ist die Reduzierung des Umfangs mobilen Arbeitens erfasst. Dass die völlige Abschaffung und Einstellung derselben erst Recht mitbestimmungspflichtig ist, liegt deshalb nahe. Je nachdem, wie stark der Wechsel zum Bürobetrieb die Abläufe verändert, sind die Mitbestimmungsrechte des § 87 Nr. 1 (Ordnung des Betriebs), 2 (Arbeitszeit), 6 (technische Einrichtungen) und 7 (Arbeitsschutz) BetrVG zu beachten.
Im Hinblick auf die Frage, ob es sich bei der Anweisung, ins Büro zurückzukehren, um eine mitbestimmungspflichtige Versetzung (§ 99 BetrVG) handelt, ist – wie bei der Einführung auch – zu differenzieren. Besteht nach der Weisung des Arbeitgebers keinerlei Möglichkeit mehr, außerhalb des Büros tätig zu werden, handelt es sich um eine verbindliche Festlegung des Arbeitsortes, sodass ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 99 BetrVG infrage kommt. In der Praxis wird der Betriebsrat aber wohl nur selten die Zustimmung verweigern können. Soll der Mitarbeiter noch die Möglichkeit haben, auch von zuhause aus tätig zu werden (hybrides Arbeiten) handelt es sich um keine Versetzung, wenn dem Mitarbeiter ein entsprechender Entscheidungsspielraum verbleibt.
Selbst wenn die Anordnung der Tätigkeit im Homeoffice aufgrund der coronabedingten Eilbedürftigkeit einseitig und ohne Mitbestimmung des Betriebsrats erfolgt ist, kann hieraus nicht geschlussfolgert werden, dass auch die Anordnung der Rückkehr ohne Mitbestimmung erfolgen kann.
IV. Fazit und Ausblick
Die Rückkehr zur Normalität nach der Corona-Pandemie stellt keine unüberwindbare Hürde für die Arbeitsrechtspraxis dar. Gleichwohl muss dieser Schritt gut vorbereitet und geplant sein. Ferner ist auch nicht auszuschließen, dass es durch das sehr dynamische Pandemiegeschehen auch Schritte zurück geben wird, bevor weitere Öffnungen erfolgen.
Die Rechtsprobleme, die die Thematik aufwirft, sind überschaubar und nach allgemeinen Grundsätzen gut zu lösen. Schwieriger ist es aus Sicht des Managements, in Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat zu einem ausgeglichenen und rechtssicheren Umgang mit den neuen Arbeitsformen zu kommen. Dies gilt umso mehr, weil im Kontext der Pandemie häufig gehandelt werden musste, ohne dass dem eine langfristige Planung vorausgehen konnte. Im Zeitalter der Digitalisierung und Vernetzung wird der Bedarf nach agilen Arbeitsmethoden auch nach der Krise hoch bleiben. Wie die Balance zwischen Normalbetrieb und mobiler Arbeit langfristig ausfällt, wird sich erst im Laufe der nächsten Jahre zeigen.
Wichtig für alle Unternehmer ist es aber, jetzt zu handeln: Sei es, indem die bestehenden Regelungen überprüft werden, sei es, indem neue Regelungen geschaffen werden und damit der Status quo (oder der zukünftige Status quo) manifestiert werden oder sei es, indem die Belegschaft – gemäß der arbeitsvertraglichen Verpflichtung – wieder angewiesen wird, im Büro tätig zu sein. Fatal wäre es allein, jetzt nicht zu handeln und die weitere Entwicklung abzuwarten, denn dies könnte dazu führen, dass verbindliche Ansprüche der Arbeitnehmer entstehen, die nicht mehr einseitig beseitigt werden könnten.
Wir hoffen, Ihnen mit diesen Ausführungen einen guten Überblick über die aktuellen Entwicklungen zu geben. Bei Rückfragen zu dem genannten Thema und zu konkreten Auswirkungen und Fragen der Gestaltung können Sie sich jederzeit telefonisch oder per E-Mail an unsere Kollegen in unseren Büros in Berlin, Düsseldorf, München und Köln wenden.