Die seit fast zwei Jahren andauernde Pandemie macht mit ihren Auswirkungen auch vor den Betriebsratswahlen nicht halt. Betriebsversammlungen und persönliche Vorstellung der Kandidaten sind – wenn überhaupt – nur eingeschränkt möglich. Home-Office-Pflicht und persönliche Stimmabgabe treten miteinander in Konflikt.
Nachfolgend stellen wir einige Besonderheiten der diesjährigen Betriebsratswahl vor.
1. Wahlversammlung
Besteht noch kein Betriebsrat, wird der Wahlvorstand im Rahmen einer Wahlversammlung gewählt. Auf Grund der Corona-bedingten Einschränkungen bei Versammlungen mag dies im Einzelfall schwierig werden. Arbeitgeber sollten deswegen jedoch keine Bemühungen unternehmen, die Wahlversammlung zu unterbinden. Zwar wird vertreten, dass in der derzeitigen Situation aus Infektionsschutzgründen daher der Wahlvorstand unmittelbar durch das Arbeitsgericht bestellt werden kann, wir halten dies aber nicht für richtig: Das Gesetz bestimmt, dass eine solche Ersatzbestellung nur dann zulässig ist, wenn trotz Einladung keine Wahlversammlung stattgefunden oder auf dieser kein Wahlvorstand gewählt wurde. Um Verzögerungen durch ablehnende Gerichtsentscheidungen zu vermeiden, ist daher zu empfehlen, dass – zumindest pro forma – zu einer Wahlversammlung eingeladen wird. Sollte diese nicht durchgeführt werden (können), sind die Voraussetzung für die gerichtliche Bestellung gegeben.
Wesentlicher Teil einer Versammlung ist jedoch ein entsprechendes Hygienekonzept. Für die Erstellung dieses Konzepts sind die zur Versammlung Einladenden (Arbeitnehmer oder Gewerkschaft) verantwortlich. Um möglicherweise unnötige Kosten sowie eine Gesundheitsgefährdung der Belegschaft zu vermeiden, sollte der Arbeitgeber diese hierbei tatkräftig unterstützen. Aufgrund seines Hausrechts kann er die Vorlage eines ausreichenden Hygienekonzepts bei Versammlungen, die im Betrieb stattfinden, auch einfordern.
2. Wahlvorschläge
Eine große Herausforderung wird in vielen Betrieben mit Home-Office die Sammlung der erforderlichen Stützunterschriften für einen Wahlvorschlag darstellen. Digitale Signatur oder eine gescannte Unterschrift sind hierbei nämlich nicht zulässig. Es ist jedoch anerkannt, dass sich die Stützunterschriften auch auf mehrere Blätter verteilen können. Hierzu muss der Originalwahlvorschlag von den Kandidaten persönlich unterschrieben werden. Dieser Originalvorschlag kann dann kopiert werden, so dass mehrere Vorschlagsexemplare an die einzelnen Kollegen zur Unterschrift übersandt werden können. Zu beachten ist aber, dass diese inhaltlich übereinstimmen und durchnummeriert sein müssen. Weiterhin sind sie vor Einreichung an den Wahlvorstand körperlich fest zu verbinden (z.B. zu tackern).
3. Wahlwerbung
Die Büroräume sind vielfach verwaist, Kollegen treffen sich – wenn überhaupt – nur noch virtuell. In diesem Umfeld ist es schwierig, eine hohe Wahlbeteiligung und damit eine repräsentative Vertretung der Belegschaft zu bekommen. Ebenso ist es für die Kandidaten schwierig, sich gegenüber der Belegschaft vorzustellen. Unzulässig wird es sein, wenn jeder Wahlbewerber mit einzelnen Kollegen virtuelle Termine während der Arbeitszeit vereinbart, um sich vorzustellen. Insbesondere bei größeren Belegschaften wären sonst sämtliche Wahlbewerber über längere Zeiträume nur mit dem Wahlkampf beschäftigt, was der Arbeitgeber nicht dulden muss.
Wie aber können die Mitarbeiter in angemessener Form erreicht werden? Der Arbeitgeber könnte gemeinsam mit dem Wahlvorstand eine virtuelle Belegschaftsversammlung organisieren, auf welcher sich alle Kandidaten präsentieren können. Auch wird es wohl als zulässig angesehen werden müssen, wenn die Kandidaten – in angemessenem Umfang – intern per E-Mail in Kontakt mit ihren Kollegen treten. Sollten diese aber mit E-Mails überflutet werden, kann der Arbeitgeber dies wegen Störung des Arbeitsablaufs untersagen. Zustätzlich müsste im Einzelfall denjenigen, die über keine eigene E-Mail-Adresse oder über keinen Firmenrechner verfügen, ggf. auf Wunsch eine solche Kontaktaufnahme ermöglicht werden, wen dies zur Wahrung der Chancengleichheit erforderlich ist. Gerade in diesem Jahr macht daher Sinn, wenn der Arbeitgeber mit den Kandidaten im Vorfeld entsprechende Spielregeln vereinbart. Achtung: Es ist nicht erlaubt, dass sich ein Wahlbewerber interne Verteiler an eine private E-Mail-Adresse weiterleitet und von dort aus Kontakt zu seinen Kollegen aufnimmt.
Ebenfalls unzulässig ist, wenn der Arbeitgeber die Privatadressen der Mitarbeiter an die Wahlbewerber herausgibt, damit diese ihnen Wahlwerbung nach Hause schicken können. Ein proaktiver Arbeitgeber kann zur Förderung der Wahl entsprechende Kandidatenprofile an alle Mitarbeiter versenden, muss aber darauf achten, dass er allen Kandidaten die gleiche Möglichkeit einräumt (auch im Umfang der Vorstellung).
4. Stimmabgabe – elektronisch oder generelle Briefwahl?
Auch wenn im Netz vielfach Werbung für Online-Wahlen gemacht wird und sich einige Unternehmen dazu entschieden haben, sie als zusätzliche Option anzubieten, ist die elektronische Stimmabgabe nicht im Gesetz vorgesehen und damit leider nicht zulässig. Jeder Wahlberechtigte muss manuell sein Kreuz auf dem Wahlzettel machen. Wird online gewählt, macht dies die Wahl anfechtbar (siehe hierzu Teil vier unserer Beitragsreihe).
Ebenso ist es nicht zulässig, zur Vereinfachung der Stimmabgabe allen Wahlberechtigten Briefwahlunterlagen zuzusenden oder als Wahlvorstand eine generelle Briefwahl zu beschließen. Das Gesetz sieht die persönliche Stimmabgabe als den Regelfall an. Die schriftliche Stimmabgabe ist als Ausnahme nur bei Vorliegen bestimmter, im Gesetz genannter Gründe zulässig (siehe Teil 2 unserer Beitragsreihe - https://dwfgroup.com/de-de/news-and-insights/insights/2022/1/the-works-council-election-part-ii). Die derzeit bestehenden Beschränkungen am Arbeitsplatz als zusätzlichen Grund für eine generelle Briefwahl anzunehmen, wird nicht möglich sein. Sowohl das Betriebsverfassungsgesetz als auch die Wahlordnung wurden im vergangenen Jahr während der bestehenden Pandemie geändert. Diese Änderungen beinhalteten befristete Sonderregelungen für die Zeit der Pandemie. Auch wurde die Zulässigkeit der Übersendung von Briefwahlunterlagen durch den Wahlvorstand ohne Antrag des Arbeitnehmers erweitert. Wäre der Beschluss einer generellen Briefwahl gesetzgeberisch gewollt gewesen, wäre – ähnlich wie bei der Wahl der Schwerbehindertenvertretung – zumindest eine befristete Regelung aufgenommen worden.
Grundsätzlich muss daher jeder Wahlberechtigte, der am Wahltag nicht im Betrieb ist, beim Wahlvorstand Briefwahl beantragen, es sei denn, dem Wahlvorstand ist bekannt, dass der Arbeitnehmer abwesend ist. Dies kann auf Grund der Eigenart seines Beschäftigungsverhältnisses oder auf Grund z.B. längerer Krankheit der Fall sein. Bei letzterem muss der Arbeitnehmer aber während der gesamten Zeit vom Erlass des Wahlausschreibens bis zum Zeitpunkt der Wahl abwesend sein. Eine kurzfristige Erkrankung oder eine Quarantäneanordnung kurz vor der Wahl genügen nicht. Dies bedeutet konkret, für die Möglichkeit, Briefwahlunterlagen zu übersenden:
- Ist ein Beschäftigter in Kurzarbeit Null – unaufgeforderte Zusendung
- Ist ein Beschäftigter nur am Wahltag in Kurzarbeit – Zusendung nur auf Antrag
- Ist ein Beschäftigter 100% im Home-Office – unaufgeforderte Zusendung
- Ist ein Beschäftigter flexibel an einem oder mehreren Tagen pro Woche im Home-Office – Zusendung nur auf Antrag
Was ist aber, wenn Mitarbeiter grundsätzlich im Home-Office arbeiten und dennoch regelmäßig oder unregelmäßig ins Büro kommen? Hier ist vertretbar, dass allen Beschäftigten, bei denen Home-Office nicht aus dringenden betrieblichen Gründen ausgeschlossen ist (§ 28b Abs. 4 IfSG) oder die dem Arbeitgeber gegenüber nicht angezeigt haben, dass sie nicht im Home-Office arbeiten können, die Briefwahlunterlagen unaufgefordert übersenden werden. Nach der Wertung des IfSG haben sie zumindest befristet einen Home-Office-Arbeitsplatz.
Zu beachten ist, dass die Pflicht zum Arbeiten im Home-Office nach derzeitigem Stand am 19. März 2022 ausläuft. Über eine mögliche Verlängerung wird voraussichtlich erst Anfang März entschieden werden. Da die Vorbereitung und Durchführung der Briefwahl eine gewisse Zeit benötigt, muss der Wahlvorstand die Entscheidung zur unaufgeforderten Übersendung der Wahlunterlagen im Regelfall drei bis vier Wochen vor dem Wahltag treffen. Sollte er bei einem Wahltermin nach dem 19. März diese Entscheidung treffen müssen, bevor über eine mögliche Verlängerung des § 28b Abs. 4 IfSG entschieden wurde, ist ihm wohl ein gewisser Beurteilungsspielraum zuzugestehen. Hierbei er hat er die pandemische Lage und die aktuelle politische Diskussion zu beachten.
Der Arbeitgeber hat dem Wahlvorstand die für die Briefwahl erforderlichen Informationen, also die Privatadressen der Beschäftigten, zu Verfügung zu stellen. Vereinzelt haben Gerichte den Arbeitgeber dazu verpflichtet gesehen, dem Wahlvorstand die Adressen aller Beschäftigten zu Verfügung zu stellen, auch wenn die Voraussetzungen für eine Briefwahl (noch) nicht vorliegen. Dies ist datenschutzrechtlich jedoch fragwürdig. Der Arbeitgeber ist stets verpflichtet, die Grundlage der Herausgabe von personenbezogenen Daten zu prüfen und sollte daher in diesem Punkt eng mit dem Wahlvorstand zusammnarbeiten.
Was passiert, wenn es trotz bester Bemühungen zu Fehlern bei der Betriebsratswahl kommt? Dies erläutern wir im vierten Teil unserer Reihe.
Sollten Sie Fragen zur Betriebsratswahl haben, stehen Ihnen unsere Kolleginnen und Kollegen in unseren Büros in Berlin, Düsseldorf, Köln und München jederzeit gerne telefonisch oder per E-Mail zur Verfügung.